Die Gegenwart prallt immer wieder auf die Mauer der Vergangenheit. So auch die Leben in Clemens Meyers aktuellem Roman ‹Die Projektoren›. Das mit dem Bayrischen Buchpreis 2024 ausgezeichnete Epos erzählt auf der Grundlage zweier Menschen aus der DDR und Jugoslawien die halbvergessene Gewaltgeschichte Mitteleuropas nach 1945. Mit fulminanter Sprache nähert sich Meyer den politischen Irrungen und Wirrungen dieser Zeitepoche, entdeckt dabei Parallelen und unerwartete Verbindungen.
Auch der zweite Teil des Abends bewegt sich im kriegsgebeutelten Mitteleuropa: Thomas Bernhards ‹Ein Kind›. Der Schauspieler Devid Striesow liest aus dem autobiographischen Werk des österreichischen Schriftstellers, der in der Literatur jene Klarheit sucht, die ihm sein Leben verweigert. Vom Ziehvater und der Mutter ignoriert und in der Schule ein Außenseiter, flüchtet sich der Erzähler zum Großvater. Er legt die Grundlage dessen, was Bernhard zu dem Schriftsteller machte, der später mit seinen Werken Weltruhm erlangte und dessen Werk bis heute nachhallt. Eine ergreifende und berührende, oft humorvolle Suche nach dem eigenen Platz im Leben, die mit einer Radtour nach Salzburg beginnt.
Wenngleich nicht nach Salzburg, sondern von Essen nach Höxter, begann auch für die Reitz Gruppe ihre Geschichte mit einer Radtour, als Firmengründer Konrad Reitz mit dem Drahtesel aufbrach, seine erste Fabrik zu gründen. Bis heute produziert die Gruppe, die für uns ihre Fertigungshalle öffnet, neben Industrietechnik auch Konrad Räder. Vom katalanischen Quartett Kebyart lassen wir uns dabei musikalisch durch den Abend leiten: Die vier Saxophonisten greifen den industriellen Charme des Unternehmens auf und verbinden diesen mit ihrer eigenen experimentellen Art klassischer Musik zu einem Klanggewölbe, das vor Abenteuerlust und Dynamik strotzt – wie eine Radtour über Stock, Stein und Grenzen.