Vernissage - "Gesang der Vögel"

Ausstellung Kirche Vortrag/Lesung/Vorführung

Zur Verfahrenslogik von Klaas Kloosterboer: Anzüge, Handschuhe und die Verleugnung der Malerei
Das Auftreten von Objekten wie den „Anzügen“ und anderen Kleidungsstücken im Werk von Klaas Kloosterboer verlangt nach einer kritischen Betrachtung, die über eine bloße stilistische Besonderheit hinausgeht. Diese Arbeiten bewegen sich im schwierigen Erbe der Malerei nach dem Ende der klassischen Moderne und den Einflüssen von Konzeptkunst und Postminimalismus. Klosterboers Arbeiten fungieren als kritische Interventionen. Sie sind weniger als Skulpturen zu verstehen, sondern vielmehr als Operationen innerhalb des erweiterten und zweifellos umkämpften Feldes der Malerei. Kloosterboer arbeitet stets im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und konkreter Handlung. Er hinterfragt dabei die Grundelemente der Malerei und ihre gewohnten Präsentationsformen. Seine Anzüge sind so etwas wie Reaktionen auf die Grenzen des Mediums. Sie folgen einer eigenen Logik und vereinen unterschiedliche Materialien, wodurch sie den traditionellen Anspruch der Malerei auf Einheit und Aura herausfordern. Stattdessen propagieren sie Produktionsweisen, die im Handeln und in der Kontingenz verankert sind. Die materialspezifische Beschaffenheit und die Herstellungsweisen dieser Objekte sind dabei entscheidend. Die handgenähten, lebensgroßen Anzüge erinnern zwar an die traditionelle Künstlerleinwand, ersetzen jedoch das Malen durch Schneiden und Nähen, also manuelle handwerkliche Arbeit. Ähnlich ersetzen die Handschuhe, die „ganz oder teilweise in Farbe getaucht“ beschrieben werden, die feine malerische Geste durch einen groben, fast industriellen Vorgang. Diese Betonung des Prozesses – des Schneidens, Nähens, Tauchens, Schleuderns von Farbe – verweist auf eine Form von Anti-Handwerk, in der künstlerische Virtuosität durch nachvollziehbare, oft aggressive physische Handlungen ersetzt wird. Solche Arbeiten dekonstruieren die Malerei mit ihren eigenen Mitteln. Auch wenn Kloosterboer bekannte Formen wie Anzüge oder Handschuhe verwendet, werden diese durch künstlerische Prozesse verändert. Damit kehrt er die Logik des Readymade – etwa Duchamps Urinal – um. Nicht das gefundene Objekt an sich, sondern die Bearbeitung und Verwandlung durch Material und Prozess machen das Werk aus. Somit verweist die Anwendung von Prozess und materieller Transformation das Werk klar zurück ins Atelier. (Interessant ist hier der Rückblick auf die Ausstellung Dumb Painting 1992 im Centraal Museum in Utrecht, mit der Kloosterboer einem größeren Publikum bekannt wurde.) Damals stand er neben Künstlern, die radikal reduzierten oder Malerei nahezu „verstummen“ ließen – etwa Steven Parrino oder Bernard Frize. Doch Kloosterboer fiel durch eine „spielerische und forschende“ Haltung auf. Er suchte nicht nach reiner Negation oder Abstraktion, sondern nach einer „konkreten Vorstellungskraft“. Die „Dummheit“ seiner Anzüge und Handschuhe liegt in dieser Hinwendung zur konkreten Handlung und in der wörtlichen Präsenz des Objekts. Es ist eine Weigerung, traditionelle malerische Ausdruckskraft zu bedienen, zugunsten der nüchternen Tatsächlichkeit des Prozesses. Damit erfüllt er auch sein eigenes Ziel, dass seine Werke „den Künsten entkommen“ sollen. Diese Verspieltheit kann zudem als Strategie verstanden werden, die den feierlichen Ernst der abstrakten Malerei und ihrer Kritik unterläuft. Aus der Perspektive eines Museums – im Hinblick sowohl auf die Anzüge (inzwischen zwei in Voorlinden!) als auch auf die Gemälde – werfen die Objekte weiterhin kritische Fragen auf. Ihre Aufnahme in eine Sammlung nimmt ihnen nicht automatisch ihre Herausforderung. Denn sie sind Handlungen verpflichtet, die Materialität und Prozess über ästhetische Feinheit stellen. Damit verweigern sie sich einer schnellen und einfachen Konsumierbarkeit. Sie verkörpern eine Praxis, die, während sie die Materialien nutzt und sich mit der Geschichte der Malerei auseinandersetzt, darauf beharrt, ihre Konventionen in die komplexen Realitäten des „Hier und Jetzt“ einzuführen – und dabei eine kritische Schärfe gegenüber ihrer eigenen institutionellen Anerkennung bewahrt.

Termine

Quelle:

Landkreis Neu-Ulm

destination.one

Organisation:

Landkreis Neu-Ulm

Zuletzt geändert am 02.10.2025

ID: e_101126713